Erziehen ist gar nicht so schlimm, wie es sich anhört. Man muss es nur bleiben lassen.

Sonntag, 20. Juli 2014

H wie Homöopathie und Co

Grundsätzlich ist es mir ja völlig wurscht, welcher Heilslehre meine Mitmenschen anhängen und üblicherweise mache ich meine Späße darüber auch nur unter unbedingtem Ausschluß der Öffentlichkeit (ist gesünder so. Die Keulen von den Anthropops tun echt weh und am Ende muss ich noch als Entschuldigung meinen Namen tanzen. Weia!). Soll ja jeder so leben, wie er mag. Oder sie. Es. Whoever. Mir egal.
Also. Homöopathie, Schüßler-Salze, Bachblüten, Chinesische Medizin, Reiki, Akupunktur, KrötenumMitternachtvomFriedhofsammeln, Heilsteine oder wasweißich. Das muß und darf letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, sag ich immer.
Aber bittedanke möchte ich auch mein Pläsierchen haben dürfen, und das heisst bei mir: Geh mir fodd mit dem Kram.
Ich glaube nicht an die Heilkraft von Edelsteinen, ehrlich nicht und wirklich wahr. Ich möchte keine Zuckerkügelchen gegen Kopfweh schlucken, ich hab genug Zucker daheim, danke. Wer versucht, mir oder meiner Familie Chlorbleiche als Wundermittel anzupreisen, kriegt umgehend eins auf die Fresse (10 Cent in die Fluchkasse, dingeling), freundlicher abweisend reagiere ich auf das Angebot der Zuteilung eines Lichtwesens, auch Engel genannt, als Begleitung auf meinem Weg zur kosmischen (oder komischen?) Menschwerdung, danke, aber nein, danke. Sehr freundlich, aber gaga.
Von Megavitamintherapie, Kinesiologie oder Aurafotografie halte ich genausoviel wie von der These, das es im All Leben in Form von kleinen grünen Männchen gibt, nämlich nicht viel (wobei ich mir sicherheitshalber ein Hintertürchen von 0,01% offenhalten möchte. Man weiß ja nie. Wobei- Aurafotografie find ich dann doch zu abgefahren. 100% nein. Megavitamine auch nicht. Und Kinesiologie? Hm. Es wäre ja mal einen Versuch wert, wenn meine Schulterschmerzen vom Aufkleben bunter Washitapes verschwänden. Oder nicht? Aaach, Quatsch! Also ehrlich! Ohne entsprechende Bewegung nutzen auch die besten Washitapes nichts! Und wenn Bewegung hilft, wieso dann noch Klebebänder???)
Verschiedene andere Konzepte wie schamanische Riten, Ayurvedische Ernährung, Körpertherapien und was es noch alles gibt, haben möglicherweise ihre Berechtigung, passen aber grad nicht zu mir und meiner Sozialisation. Später vielleicht.
Zum Arzt gehe ich persönlich also nur, wenn mir was fehlt (oder ich was zu viel habe), meinen Schulterschmerzen versuche ich mit Training entgegen zu wirken (meine Physiotherapeutin ist der Hammer) und ansonsten versuche ich mich ordentlich zu ernähren, genug zu trinken, mich zu bewegen, zu entspannen und nicht zu viel zu missionieren. Das reicht zwar noch nicht ganz für ein perfektes Wohlfühlen, macht aber im Großen und Ganzen eine gute Aura. (No pictures, please.)

Was wollte ich eigentlich? Ach so: Bei alternativen Heilmethoden, die ja nicht umsonst häufig "sanfte Medizin" genannt werden , entsteht aber offensichtlich bei einigen Eltern der Glaube, es sei ja nur Natur und könne nichts schaden. Daher werden die Kinder bei kleinsten Anzeichen von irgendwas (gerade im Rahmen der zur Zeit äußerst beliebten Homöopathie. Wird ja sogar von den Krankenkassen bezahlt, MUSS ja toll sein!) freigebig mit Kügelchen und Tröpfchen versorgt. Bauchweh, Kopfschmerzen, hingefallen? Müde, unruhig, schlecht gelaunt? Zu schlecht in der Schule, keine Lust auf Sport, Zappelphilipp oder Träumer, frech zu Mama und Papa? Es gibt für alle Eventualitäten des Lebens ein Kügelchen oder fünf. (Bitte unter der Zunge zergehen lassen. Oder auflösen und mit einem Plastiklöffel umrühren. Besser Elfenbein. Aber NIEMALS Metall!). Aconitum und Arnica, Belladonna, Chamomilla, Ferrumsowiesum und wie sie alle heißen.
In Potenzen, die es unmöglich machen, auch nur ein einziges Körnchen Wirkstoff nachzuweisen. Der berühmte Tropfen Urtinktur auf den ganzen Atlantik, das Argument ist ja bekannt. Vielleicht bin ich nur zu einfach gestrickt um den göttlichen/Hahnemannschen Plan dahinter wahrzunehmen, ich kapiere ja auch nicht, WARUM mein Computer funktioniert (FALLS er funktioniert, aber das ist eine andere Baustelle und einen eigenen Artikel wert), aber trotz oder wegen dieser geistigen Einfachheit entfährt mir bei manchen Heilskonzepten ein ungläubiges: wtf?
Sorry, Mädels, aber für mich ist das Hokuspokus. Glaubuli. Glaubt jemand im Ernst, das Wasser ein Gedächtnis hat? H2O?? Echt jetzt? Weiß jemand, wie diese Potenzen hergestellt werden? Verdünnt und immer mehr verdünnt, dabei dreimal nach links und fünfzehn mal nach rechts gedreht und nochmal verdünnt?? (Ja, ich WEISS, das der Prozess extrem vereinfacht dargestellt ist!) Der Heileffekt wird stärker, je weniger Wirkstoff das Medikament enthält???
Wieso kommen mir da des Kaisers neue Kleider in den Sinn?
(Öh... Momentmal. Ob das auch mit gutem Rotwein funktioniert? Ein Glas in den Rhein geschüttet, dreimal hin und her wenden und schwupp, schon haben wir einen 1238 Kilometer langen Spätburgunderstrom. *Hick* Ach, Verzeihung, das war jetzt despektierlich, vollkommen unsachlich und nicht geeignet, einer fruchtbaren Diskussion Vorschub zu leisten. Ich nehm alles zurück. *schäm*)

Eins stimmt ja: von Homöopathika oder auf ähnlicher, glaubensbasierter Grundlage operierenden Schüßler-Salzen, Bachblüten oder der Bioresonanzmethode kann man zumindest erstmal nicht kränker werden. (Von nix kommt ja schliesslich nix *muuuharharhar*! Verzeihung.)
Aber: Wer zu früh den Griff nach Medizin antrainiert bekommt der lernt nicht mehr, sich mit Unwohlsein auseinanderzusetzen. Ein Beispiel: Wer den ganzen Tag nichts trinkt, bekommt Kopfschmerzen. Ursache und Wirkung. Recht einfacher Zusammenhang. Das kann man dem Kind doch bitte auch einfach so erklären? Da kann ich doch erstmal ein Glas Wasser ins Kind schütten, bevor ich mit zauberhaften Globuli anrücke? Ich möchte die Gesundheitspolizei mal sehen, wenn ich dem Kind in dieser Situation erstmal eine 500er Paracetamol einwerfe. Aber Globuli gehen, weil sie ja nicht schaden, oder was? Was ist das denn für eine Logik?
Wenn die Kleinen schon mit drei angelaufen kommen und "Dobuli" haben möchten weil irgendein Bümbesjen sie drückt, da läuft doch was schief?
Im schlimmsten Fall lernen die Kinder, das es nicht normal ist, sich mal nicht wohl zu fühlen, das man alles, was vom gewünschten, "normalen" Pfad abweicht, mit Medikamenten bekämpfen muss.
Was für ein Irrtum. Der homöo- oder sonstwiepathische Zauberkasten ersetzt auf gar keinen Fall Feinfühligkeit, Zuversicht, Vorbild, Humor, Selbstwertgefühl, Ernstnehmen und liebevolle Zuwendung. Mit diesen "Medikamenten" erreicht man schon sehr viel. Wer dann noch Globuli dazuwerfen will: von mir aus. Aber erst dann!
Ehrlich wahr.
Ach so. Aus gegebenem Anlass möchte ich noch dazufügen: Am allermeisten gehen mir bei der ganzen Sache die eifernden MissionarInnen mit der allein seligmachenden Wahrheit auf den Sack, die alles ausser ihrer eigenen Überzeugung strikt ablehnen und vor allem: abwerten. Meine Bloggerfreundin Paula hat einen sehr schönen Artikel zu dieser Art des Umgangs untereinander geschrieben. (www.tragenderolle.blogspot.de) Das wollte ICH eigentlich alles so schreiben *hmpf*, brauch ich aber ja jetzt nicht mehr. Die Quintessenz des Artikels ist prima zusammengfasst in diesem Satz:
Es ist schön, wenn Eltern die für sich perfekte ...(hier bitte einsetzen, was einem grad so sehr wichig erscheint) ... gefunden haben. Damit einher geht aber weder das Recht, andere zu belehren, zu missionieren, zu kritisieren, zu verurteilen und ihnen zu erzählen, was sie alles falsch machen mit ihrem Baby. Noch die Konsequenz, dass das, was für einen selber passt und perfekt ist, für irgendeinen anderen auch so sein muß.  
 Mit Paulas Leitthema, dem Tragen, habe ich zwar nun leider nicht mehr soviel zu tun (schade, denn das hätte mir und meinem Sohn sicher auch gut getan, aber "dunnemals" ist das halt einfach an mir vorbeigegangen, und da hab ich auch keinen Stress mit) aber das Prinzip gilt überall:
Es ist wirklich wunderbar, dass du den einzigartigen, irre, prima, tollen Weg für dich gefunden hast. Verkünde das gerne jedem. Aber denke daran, dass jeder seinen eigenen Weg hat und akzeptiere das.
Werte Menschen, die es anders machen, nicht ab! Möglicherweise stellst du irgendwann fest, das DU falsch lagst und der Idiot warst und dann freust du dich über jeden, der NICHT hämisch grinst und sagt: Ich habs dir ja gleich gesagt.

Übrigens. An diesem Artikel kaue ich ja schon Monate rum. Lustigerweise kam mir vorgestern dann zufällig noch die Erfahrung mit einer Heilerin dazu. Eine vage Bekannte von mir, die ich aber ziemlich gut leiden kann, brachte eine Fußballkarte für meinen Sohn vorbei, der leider grade schlapp mit Bauchkrämpfen auf dem Sofa lag. Als sie das erfuhr, sagte sie, sie sei übrigens auch Heilerin, ob sie mal versuchen dürfe, ihm Heilenergie zukommen zu lassen? Ahja. Hä??
Ich bin dann immer nicht so souverän, wie ich es gerne wäre *mist* und stammele zu viel herum, aber der Grundtenor meiner Antwort war: Sorry, da glaub ich jetzt nicht wirklich dran, aber ich weiß, dass er sich über deinen Besuch freuen würde und das alleine ist ja schon heilend wenns einem schlecht geht, also: bitte sehr.
Sie meinte, es könne ja zumindest nicht schaden und das stimmte auch. Sie hat sich lediglich fünf Minuten mit ihm unterhalten und ihn ein bißchen aufgemuntert und als sie ging, sagte sie mir, sie könne Frequenzen sehen, die die meisten Menschen nicht wahrnähmen (es bestünde ja alles aus Schwingungen). Sie habe die Probleme in seinem Darm sehen können (da wunderts mich aber, das sie nicht gleich danebengereihert hat, bei dem Anblick...) und habe sich auf seinem Körper einen "Entry Point" gesucht, in den habe sie heilende Frequenzen eingeleitet. Vielleicht würde es ja helfen.
Nach dem Motto: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als der Mensch sich träumen lassen kann oder so ähnlich, hab ich das mal freundlich stehen lassen. Auch wenn ich nicht dran glaube: sie tut es, dadurch strahlt sie Ruhe, Zuversicht und positive Energie aus und die ist es, die helfen kann. Die heilt. Positive Energie. Daran glaub ich wirklich.
Leider hat mein Sohn kurz nach ihrem heilenden Besuch gekotzt.
Das verrat ich ihr aber nicht.
:-)
Und leiden kann ich sie immer noch gut.


Montag, 31. März 2014

S wie Selbstgeboren

Gerade im Bereich der alternativen, „natürlichen“ Medizin und den damit oft einhergehenden alternativen Lebenskonzepten aus der ganzheitlichen Ecke gibt es viele Leute mit DER ultimativen und allein seligmachenden Wahrheit. Häufig sind es genau die mit dem größten Anspruch auf Sanftheit in der Medizin, Sanftheit im Umgang mit dem Körper, Sanftheit im Umgang mit Tieren usw., die am härtesten auf alle anderen einschlagen, die es nicht so machen. Da können aus arg lieben und sanften Personen sehr schnell äußerst unangenehme Gesprächspartner werden, schade. 
Wer eine Party richtig schön schmeissen will, der muss nur kurz hintereinander die Worte "Homöopathie" und "Durchimpfungsrate" in den Raum werfen und dann freundlich lächelnd beobachten, wie sich alle Anwesenden langsam aber sicher an die Gurgel gehen. (Personen aus meinem familiären Umfeld sind von dieser Polemik ausdrücklich ausgeschlossen. Die haben manchmal auch ganz lustige Ideen, sind aber im Grunde sehr verträglich *lob*). 
Manche Konzepte aus der, ich sags mal gaaaanz platt und global: alternativen Ecke, sind mir sehr nah, andere irritieren mich eher, einiges habe ich ausprobiert, manches will ich gar nicht ausprobieren, wenige Sachen lehne ich völlig ab und die allermeisten sind mir wie der Sack Reis in China. Allen ist gemeinsam: es gibt jemanden, der das für richtig hält und der sich damit wohl fühlt, fein. Und solange keine dritten drunter leiden müssen, soll von mir aus jeder machen wie er mag, wobei man das "dritte drunter leiden" noch genauer definieren könnte.
Ich finde nur, man kann ja seine Sicht der Dinge darlegen und für seine Überzeugungen auch gerne eintreten, aber muss man gleich alles andere abwerten?
Wie komm ich drauf? Ach ja:
Ich sags mal wie ichs empfunden habe:
Jetzt kommt da doch eine daher, die meint, sie müsse mich ausgrenzen weil ich nicht in der Lage war, eine natürliche Geburt zu erleben. Sie meint, ich habe mein Kind nicht Selbstgeboren. Hä?
Nur um das mal klarzustellen: Ich hatte bisher nicht das Gefühl, ich hätte irgendwie versagt. Wieso auch? Der kleine Kerl saß gemütlichst mit dem Arsch nach unten fest (auf höflich heisst das wohl: Beckenendlage) und fraß sich zudem noch so dick und rund, dass auch das Team in der Uniklinik schliesslich fünf Tage nach dem errechneten Termin die Notbremse zog und die anvisierte Trotzdem-Spontan-Geburt verweigerte. Nix da spontan, Kaiserschnitt! Und zwar sofort! Ups.
Bisher war mir das so Aura-mäßig allerdings vollkommen knorke. Ich fühlte mich eigentlich ganz wohl.
Aber gut, das liegt möglicherweise daran, dass ich das Gemüt eines Baumstammes und die Sensibilität eines Walrosses besitze. (Man stelle sich vor, mir war gar nicht KLAR, dass ich das Gefühl hätte haben müssen, dass das mit dem Kaiserschnitt doch irgendwie pfui war. *kopfschüttel*). Ich war lediglich ein klitzekleines bißchen unentspannt, weil dieser verdammte Schnitt quer durch den Bauch ein bißchen weh (ich KANN nicht verstehen, wie sich das jemand freiwillig antun kann, aber nit zo fasse: solche Leute gibts auch, also bitte: nur die Harten kommen in Garten, aber ich bleib lieber draußen) tat und tatsächlich hatte ich ungefähr drei Stunden nach der Geburt eine Wehe (EINE!), die mir zusätzlich zu dem Bauchschnitt etwas Unwohlsein (*hust*) verursachte, weshalb ich die arme Schwesternschülerin anbrüllte, sie solle gefälligst! sofort!! diesen verdammten Wehentropf von mir abmachen, sonst risse ich ihn mir selber raus!!! (Ich schätze, das arme Ding hat anschliessend die Abteilung gewechselt und ist lieber auf die Psychiatrie gegangen als weiter von hysterischen Frischmüttern in hormonellen Ausnahmesituationen angebrüllt zu werden).
Meine damalige, äußerst naturverbundene, ganzheitlich-homöopathisch veranlagte Hebamme hat ja schon einiges dafür getan, dass ich mich eine Zeitlang scheiße fühlte, weil ich nach vier Wochen Stillen, einer Brustentzündung und diversen homöopathischen Mittelchen (die nix halfen) keine Lust mehr hatte, mir meine Brustwarzen auf sehr schmerzhafte Art abknabbern zu lassen und deshalb abstillte. 
Offensichtlich ist das Kind mit der Flaschenmilch auch ganz gut gewachsen und ich habe zudem nicht den Eindruck, dass ich damit die Bindung zwischen mir und meinem Kind in irgendeiner Weise gestört hätte, im Gegenteil. Selbst die Hebamme hat sich schliesslich damit abgefunden und mir kein schlechtes Gewissen mehr gemacht.  
Ich hatte schon fast das Gefühl, ich hätte das eigentlich alles ganz gut gewuppt.
Dank Frau Virnich weiß ich aber jetzt wenigstens, das ich mich ganz, ganz, ganz scheußlich und unvollständig fühlen sollte, weil ich die „Kraft, sich der Urgewalt des Gebärens hinzugeben“ offensichtlich nicht besitze, obwohl sie doch „Bestandteil jedes Frau-Seins ist.

Stattdessen habe ich unverantwortlicherweise „die Verantwortung für den eigenen Körper und den Lebensbeginn der eigenen Kinder“ aus der Hand gegeben und mein Kind einer „von außen manipulierten“ Geburt ausgesetzt.
Ach so.

Momentchen, ich geh noch mal in mich und hör nochmal genau nach, ob da in mir ein „Gefühl von Mangel oder "nicht dazu gehören dürfen" aktiviert“ wurde.

*lausch*

Öhmm.

Nö.
Nix.

Ich merk nix.

Uff. Da bin ich aber erleichtert. Das bedeutet, es ist mir völlig wurscht, ob die Geburt meines Sohnes nun den perfekten Ansprüchen von irgendwem genügt oder nicht und es verhagelt mir nicht die Laune. Ich find den Kerl prima, ob er jetzt so oder so auf die Welt kam. Feine Sache, das.
(Und mal ganz ehrlich: ist das nicht ein kleines bißchen paranoid? Glaubt wirklich jemand, dass das Kind ein absolut unumkehrbares Trauma erhält, wenn es der Doc am Hintern rauszieht statt dem Gequetsche durch den Geburtskanal?? Jahaaa, ich weiß, dass die Art und Weise, wie wir unseren Nachwuchs kriegen, ziemlich schlau von Mutter Natur eingefädelt ist und eins sich zum andern fügt, ich hab aufgepasst in der ganzheitlichen Geburtsvorbereitung! Ich behaupte trotzdem, dass die Kinder mit dem Segen einer perfekten Geburt nach Frau Virnich nicht allesamt glücklichere, schlauere und tollere Menschen werden.)

Wahrscheinlich ist die Frau Virnich eine echt gute Hebamme. Zumindest unterstelle ich ihr das jetzt mal. Und der Kampf, den sie mit ihren Mitteln führt, hat ja auch ein wirklich wichtiges Ziel, (gibt es noch jemanden, der die Petition nicht unterschrieben hat?)

Aber es gibt genügend Leute, die mit ihren Geburtserlebnissen nicht glücklich sind, darunter leiden und die sich von der mehr als unglückseligen Formulierung "selbstgeboren" ausgegrenzt fühlen, das sollte sie als Hebamme (und als Mensch!) wissen. Immer wenn ich irgendetwas als allein richtige Wahrheit hinstelle, grenze ich alle anderen aus, die das anders machen und ihre Gründe dafür haben. Oder auch keine Gründe haben. Meine Fresse, was soll dieses Hickhack denn? Die einen wollen dies, die anderen wollen das, ja und? 
Die Welt geht nicht unter, nur weil sie aus einer Vielfalt von Lebenskonzepten besteht. Im Gegenteil: Die Welt geht immer dann unter, wenn die Vielfalt der Lebenskonzepte eingeschränkt werden oder nach einer Skala von Top bis Flop bewertet werden soll! Also kann man in seinen Bewertungen und Äußerungen gefälligst ein bißchen aufpassen.
Ich erwarte ja gar nicht, dass sich diese Einstellung beim Stammtischpublikum durchsetzt. Aber von pädagogischen und Gesundheits-Berufen (und vor allem von denen, die immer die ganzheitlichen Töne spucken!) erwarte ich das sehr wohl. Und von Pfarrern. Von wem noch? Ach, verdammt, einfach von allen! Gebt euch mal ein bißchen mehr Mühe.



Ich geh dann mal nach den Resten meines Frau-Seins suchen. Vielleicht find ich ja noch was. *gacker*

Dienstag, 28. Januar 2014

F wie Fääärnsehn

Als Fernsehen (auch kurz TV, vom griechisch-lateinischen Kunstwort Television) bezeichnet man zunächst ein Massenmedium, das zentral konzipierte und produzierte audiovisuelle Sendungen unidirektional und synchron an ein disperses Massenpublikum vermittelt.
(Quelle: Wikipedia)

Hallo, liebes disperses Massenpublikum.
Könnt ihr bitte mal kurz die Glotze ausmachen und mir zuhören? Danke.
Es ist wirklich erstaunlich, wie viele unterschiedliche Ansichten (und Nicht-Ansichten) zum Thema Fernsehen und Kinder in der Gegend rumschwirren.
Ich habe schon Leute erlebt, die ihre dreijährigen Kinder angeschnallt im Autokindersitz vorm 55-Zoll-Flachbildschirm abstellen, damit sie dann ungestört World of Warcraft am PC spielen können. Familien, in denen der Fernseher niemals AUS gemacht wird, sondern nur leiser. *grusel* Kein Eßtisch in der ganzen Bude, gegessen wird auf dem Sofa. Vor der Glotze.
Oder solche, die mit ihrem dreijährigen Kind darüber diskutieren, wie viel Fernsehkonsum denn nun gut für sie ist und dass sie das jetzt aber nicht nett finden, dass der Leon den Fernseher nicht ausschaltet und stattdessen die Fernbedienung in der Gegend rumschmeisst, dass die Batterien fliegen. Schau mal, Leon, wir hatten doch vereinbart, dass du direkt nach dem Sandmännchen den Fernseher ausschaltest, und jetzt laufen schon fast die Kindernachrichten, Leon, jetzt mach aber doch bitte mal aus. Du kriegst auch ein Eis, wenn du ausmachst. Oder zwei.
Da weiß ich manchmal nicht, was ich schlimmer finden soll. (Nein, Quatsch! NATÜRLICH weiß ich, was ich schlimmer finden soll. Aber um die soll es hier nicht gehen, das ist ohnehin ein vollkommen anderer Ansatz.)

Es gibt immer wieder Erziehungspäpste und -päpstinnen, die einem genaue Regelungen für den Medienkonsum vor die Füße werfen. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien gibt zum Beispiel folgende Empfehlung heraus (im Internet gegoogelt):
...ungefähre pädagogische Einschätzungen, nach denen Fernsehkonsum für ihre Entwicklung unbedenklich ist:
-    Für 4 - 5-Jährige reichen maximal 30 min. täglich völlig aus.
-    Für 6 - 9-Jährige werden ca. fünf Stunden pro Woche als ausreichend veranschlagt......
.... Die Vereinbarungen über Film- und Fernsehzeiten sollten bei älteren Kindern (ab 10 - 13 Jahren) ein Wochenbudget und keine einheitliche tägliche Höchstgrenze vorsehen, damit sie lernen, ihre Zeiten der Mediennutzung mit den unterschiedlichen Schul- oder Freizeitverpflichtungen an einzelnen Wochentagen zu vereinbaren.

Bei der Vereinbarung von Film- und Fernsehzeiten ist es notwendig, die Zeiten der Nutzung anderer Medien, wie zum Beispiel von Computerspielen, mit zu berücksichtigen.
Was zum Teufel?
Wir leben in einer FAMILIE und nicht in einer Firma. Wieso soll ich meinen Kindern innerhalb der Familie Regeln, Pläne, Vereinbarungen oder Verträge um die Ohren hauen? Das ist genauso falsch wie riesige Plakate mit Regeln im Flur und über dem Tisch. "Ich soll nicht auf den Boden spucken" "Ich soll Mama nicht treten und zu Papa nicht Arschloch sagen" usw., weiße Bescheid. Blödsinn.
Wir leben miteinander und kennen einander, da sollten wir doch rausfinden können, was uns gut tut, statt uns von fremden Personen, die rein gar nichts mit uns zu tun haben, Regeln für alles mögliche im Leben vorgeben zu lassen?
Das ist so derart... bürokratisch und ... deutsch... *grrr*
(Hinter dieser Medienparanoia steckt für meine Begriffe übrigens immer noch die Urangst, dass sämtliche Medien absolut des Teufels sind und unsere Kinder nur verdummen wollen. Wer zuviel am Computer oder Fernseher sitzt, wird dumm, kriegt schlechte Augen und einen krummen Rücken. Jaja. Und vom Masturbieren wird man blind, is klar. Wir müßten inzwischen längst ein Volk von buckligen, blinden Vollidioten sein.)
Also, wenn wir hier daheim auch für die Erwachsenen eine Medienkonsum-Planwirtschaft hätten, dann müßte ich an manchen Sonntagen den Tatort in der Mitte ausmachen (falls ich theoretisch mal dazu käme, ihn zu gucken), weil ich ja vorher schon gebloggt, meine Zeitung online gelesen UND mit dem Nachwuchs Wii gespielt habe. Und mein Mann dürfte ihn garnicht erst anmachen, den Tatort. Dafuq?
Das unreflektierte Übernehmen von fremden Regeln kann also nicht die Lösung für einen gesitteten Umgang mit der Glotze sein. Im Gegenteil, es muß darum gehen, einen eigenen Umgang damit zu finden.
Dazu sollte man wissen: Fernsehgucken ist tatsächlich für Kinder nicht förderlich. Punkt. Es gibt keinerlei Grund anzunehmen, dass die Glotze unseren Kindern irgendetwas beibringen würde. Im Gegenteil. Das "Lernfernsehen" ist eine Erfindung von skrupellosen Fernsehproduzenten, die den Eltern das schlechte Gewissen wegstreicheln möchten, um ihre Werbeminuten zu verkaufen damit sie auch weiterhin in ihrem Porsche Cayenne in der Gegend rumfahren können.
Die Zeit, die Kinder, insbesondere bis zum Grundschulalter, vor der Glotze verbringen, ist verschenkte Zeit, in der sie keine Gelegenheit haben, echte Lernerfahrungen zu machen. Es IST ein Riesenunterschied, ob ein Kind Willi, Erik oder Yakari in der Glotze dabei ZUSIEHT, wie sie auf einen Baum klettern oder ob es SELBST auf den Baum klettert. Ob es einer singenden Lillifee zuschaut oder ob es selbst singt.
Nur das selbst Erfahrene, das selbst Erlebte wird in eine echte, nachhaltige Lernerfahrung münden. Die "Informationen" aus der Glotze wabern nur am kindlichen Gehirn vorbei und werden nicht verankert.
(Ein besonders grausliger Auswuchs des vermeintlichen "Lernfernsehens für Kleinstkinder" waren die Teletubbies, die heute zum Glück nur noch als Faschingskostüme taugen. Zu Recht. Die Erfinder sollte man ihren Ohren in irgendeinem Dschungel aufhängen. Und weggehen.)
Wo war ich?
Nun, wenn man sich diesen Punkt bewußt macht, dass der Fernsehkonsum keinerlei positiven Lerneffekt auf unsere Kinder hat, dann kommt man doch im Prinzip schon von selbst auf die Idee, dass es keinen Sinn macht, das Kind ständig glotzen zu lassen.
Deshalb muss man aber noch lange nicht zum Paranoiker mutieren, der sein Kind nicht zum Spielen zu den Nachbarn läßt, weil SKANDAL! die Nachbarskinder tatsächlich GLOTZE schauen dürfen.
Denn es ist ein ebenso großes Gerücht, dass Kinder schlagartig vollkommen verblöden, wenn sie jeden Tag das Sandmännchen und vielleicht noch Yakari oder Lauras Stern gucken. Wieso sollten sie das tun, wenn sie genügend Bewegung, Spielkameraden und feinfühlige Gegenüber haben, die mit ihnen gemeinsam durchs Leben gehen?
Natürlich kommt es, wie immer und überall, auf die Dosis an.
Zwei Punkte fehlen uns noch zu einem glücklichen (Fernseh-) Leben:
1. Die Erkenntnis, dass ich als Erwachsener den Hut aufhabe und die Polonäse um die Fernbedienung anführe. Soll heißen: Die Fernbedienung gehört niemals in die Hand der (Klein)kinder (siehe Leon). Keine Diskussion. Wann der Fernseher an und ausgeht, bestimmen die Erwachsenen, nicht die Kinder. Natürlich soll es Absprachen geben, aber auch die müssen Grenzen haben. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wieviele Eltern ihren Kindern die Macht über die Fernbedienung überlassen und dann quengeln, dass sie sie nicht wiederkriegen. Hallo? Nein, kleine Kinder sind NICHT in der Lage zu entscheiden, welche Sendungen in welcher Länge gut für sie sind. Das können nur die Erwachsenen entscheiden, fertich.
2. Was macht das Fernsehen mit dem Kind? Das findet man nur raus, wenn man MIT dem Kind auf dem Sofa sitzt während Sandmännchen, Mondbär und Co über den Bildschirm flimmern. Was bewegt mein Kind besonders, was steckt es locker weg? Damit meine ich nicht, anschliessend eine pädagogisch wertvolle Diskussion mit dem Kind zu führen oder es auszuquetschen was ihm jetzt gefallen hat oder nicht. Blödsinn. Die Kinder senden deutliche Signale, was für sie gut ist und was nicht. Wenn es beim Schauen schon unruhig auf dem Sofa rumrutscht und in der Nacht von Alpträumen geplagt wird, war es vielleicht von der Sendung überfordert. Vielleicht aber auch nicht und es sitzt nur ein Pups quer. Das finden nur die Leute raus, die dem Kind und seinen Signalen mit Liebe und Aufmerksamkeit begegnen.
Und mit ein bißchen Gelassenheit.